Der Reichszustizbeauftragte hat sich noch einmal in einem Schreiben an mich gewandt, welches ich Euch hier nicht vorenthalten möchte. Ich denke, ich werde ihm darauf auch noch einmal antworten.
Von Twoflower , Edler von Agatea, Graf von Hohenau an Gesendet am am 08 Januar 1464, um 00h37
Betreff Berufung im Fall Württemberg gegen Anastasia
Läuft am 24 Januar 2016 ab
An Jussi von Araja, Graf von Löwenstein, Imperialer Graf von Hohenlohe, Graf von Württemberg,
Eure Hoheit,
Ich danke für Euer Schreiben und möchte meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr im Gegensatz zum Rechtsvertreter Württembergs das Urteil des königlichen Berufungsgerichtes anerkennt, auch wenn Ihr ihm inhaltlich nicht zustimmt.
Vielleicht waren wir in der Urteilsbegründung etwas zu knapp, weshalb ich diese gerne an dieser Stelle ausführlicher wiederhole:
Die ursprüngliche Anklage lautete auf Hochverrat gemäß §1(1) des württembergischen Strafgesetzbuches, da die Angeklagte eine Anweisung des Regenten nicht befolgt habe.
Für die Beurteilung dieser Anschuldigung war es entscheidend zu klären, ob sich die Angeklagte zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Weisung noch im Raum befand oder bereits auf dem Weg in den Besprechungsraum mit den Bürgermeistern war. Schon das Reichskammergericht stellte in seinem Urteil fest, dass dies nicht mehr zweifelsfrei feststellbar ist und die Angeklagte damit nach dem Rechtsgrundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" vom Vorwurf des Hochverrates freizusprechen ist. Diese Sichtweise teilt das Berufungsgericht.
Bleibt der Vorwurf des Geheimnisverrates, den das Reichskammergericht festgestellt hat und damit begründet, dass die Angeklagte nicht oder zumindest nicht lange genug auf die ausdrückliche Erlaubnis des Regenten gewartet hat, bevor sie die Diskussion mit den Bürgermeistern eröffnete.
Ich kann diese Begründung des Reichsrichters durchaus nachvollziehen, ich teile sie aber nicht.
Würde man die Geheimhaltungsvorschriften wirklich so streng auslegen, wie dies das Reichskammergericht tut, müsste wohl der halbe Württemberger Rat wegen Geheimnisverrat angeklagt werden.
Erteilt Ihr dem Hauptmann jedes Mal eine Erlaubnis, wenn er Themen, die die Armee betreffen, mit der Armeeführung oder dem Armeestab bespricht?
Erteilt Ihr dem Obersten Feldrichter jedes Mal eine Erlaubnis, wenn er Themen, die die Sicherheit der Städte betreffen, mit den Gendarmerieführern bespricht?
Erteilt Ihr dem Staatsanwalt jedes Mal eine Erlaubnis, wenn er Themen, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betreffen, mit den Bütteln bespricht?
Erteilt Ihr dem Baumeister jedes Mal eine Erlaubnis, wenn er Themen, die die Häfen betreffen, mit den Hafenmeistern bespricht?
Erteilt Ihr der Handelsbevollmächtigten jedes Mal eine Erlaubnis, wenn sie Handelsangelegenheiten mit den Bürgermeistern oder Händlern bespricht?
Oder tun dies die Ratsmitglieder im Rahmen der ordentlichen Ausübung ihres Amtes einfach, indem sie ihr eigenes Urteilsvermögen benutzen, um einzuschätzen, welche Informationen sie zu welchem Zeitpunkt an wen weitergeben dürfen?
Im konkreten Fall kommen noch einige Überlegungen hinzu: Laut Aufgabenbeschreibung des Württemberger Rates ist der Handelsbevollmächtigte für den Aufkauf von Futtermitteln für die Jungtierzucht zuständig. Das Verhandeln des Preises, zu dem die Grafschaft diese Futtermitteln von den Bürgermeistern kauft, sehe ich als wesentlichen Bestandteil dieser Aufgabe.
Weiters streitet selbst der damalige Regent nicht ab, dass dieses Thema mit den Bürgermeistern besprochen werden sollte. Er kritisiert lediglich, dass die Diskussion nicht von der Handelsbevollmächtigten, sondern von der Wortführerin hätte eröffnet werden sollen.
Da das Thema sowieso mit den Bürgermeistern besprochen werden sollte, kann somit der Grafschaft durch das - wie ich es auch schon im Urteil bezeichnte - vielleicht voreilige Handeln der Handelsbevollmächtigten kein Schaden entstanden sein. Ich beurteile diese Episode somit als Mißverständnis zwischen Regent und Handelsbevollmächtigter, das mit einem klärenden Gespräch und der Entschuldigung der Handelsbevollmächtigten aus der Welt geschafft werden hätte können. Ich finde es äußerst bedauerlich, dass es für solche Fälle überhaupt eines Gerichts bedarf.
Das alles berücksichtigend sehe ich weder Mißstände noch Lücken im württembergischen Gesetz. Es scheint auch weder vor noch nach diesem Fall ähnliche Probleme gegeben zu haben. Wenn ich offen sprechen darf: Dies bestätigt meine Meinung, dass in diesem Fall die Gerichte in eine politische Auseinandersetzung hineingezogen werden sollten.
Aber wenn Ihr und Euer Rat anderer Meinung seid und die Geheimhaltung tatsächlich so restriktiv handhaben wollt, dann ist es nicht nur Euer Recht sondern sogar Eure Pflicht die gesetzlichen Vorschriften entsprechend klarer zu formulieren.
Abschließend zur Prozessordnung für das Berufungsgericht: Ich stimme Euch zu, dass eine solche notwendig ist.
Es dürfte Euch allerdings bekannt sein, dass das königliche Berufungsgericht kurzfristig per Dekret Ihrer königlichen Majestät geschaffen wurde, um einen Widerspruch zwischen Richtervertrag, Gesetzen des Kaiserreiches, sowie Gesetzen des Königreiches aufzulösen. Es war nie als Institution gedacht, die auf Dauer Bestand haben wird. Ich denke unter diesen Rahmenbedingungen ist es verständlich, warum ich mich auf den vorliegenden Fall und nicht auf das Erstellen einer Prozessordnung konzentriert habe.
Eine endgültige Regelung dieses gesamten Themenkomplexes obliegt dem Reichstag und seinen Ständen als Gesetzgeber des Reiches. Ich werde selbstverständlich als Kronrat mein Möglichstes tun, dafür - am besten im Rahmen eines neuen Reichsjustizgesetzes - eine tragfähige und langfristige Lösung zu finden.
Solltet Ihr weitere Fragen oder Anmerkungen haben, freue ich mich, diese Korrespondenz mit Euch fortzusetzen.
Es grüßt,
Twoflower von Agatea
Reichsjustizbeauftragter des Deutschen Königreiches